„Operation Gurkenserver“ – Wie ich auszog, um IT zu retten, und stattdessen in einer SAP-Achterbahn landete
By: Date: 25/06/2025 Categories: Geblogge!,Mein Senf dazu! Schlagwörter: ,

 

Manche Geschichten beginnen mit einem Handschlag. Meine begann mit einem „Was ist eigentlich VMware?“ – gestellt von jemandem, der später mein berufliches Schicksal lenken sollte. Freundlich lächelnd antwortete ich damals, während ich innerlich kurz das WLAN zum Universum kappte.

Rückblick: Ich, Jahrgang 1979, erfahrener Admin, beruflich geerdet, im Kopf ein gut sortiertes Wiki, verliere 2023 meinen langjährigen Job bei einem Konzern mit so vielen Abkürzungen, dass man dort vermutlich sogar Kaffee als „KFN“ führt: koffeinhaltiges Nahrungsgetränk. Nach kurzem Intermezzo bei einem Beratungsunternehmen, das ebenfalls mit K anfängt, klopfte eine gewisse metallverarbeitende Firma bei mir an. Nennen wir sie… Conuwurst.

Zwei Gespräche, beide kurios. Im ersten sollte ich beweisen, dass ich wirklich ich bin. Im zweiten durfte ich 45 Minuten lang dabei zusehen, wie sich zwei Führungspersonen über Backlogs und Tickets austauschten, als säße ich auf einer Konferenzbank statt in einem Bewerbungsgespräch. Spoiler: Ich wurde trotzdem genommen. Und ich Dummerle freute mich. Ehrlich jetzt.

Die erste Woche – oder: Willkommen im Betriebsparadies

Gleich am ersten Tag stand ich ein bisschen verloren beim Pförtner. Niemand holte mich ab. Niemand wusste, dass ich komme. Ich fühlte mich wie ein DHL-Paket mit Sendungsverfolgung, das versehentlich in der Gemüseabteilung gelandet ist.

Meine neue Chefin, nennen wir sie mal „Commandante C“, begrüßte mich dann immerhin herzlich. Also, nachdem sie mir erklärt hatte, wie man Handtücher korrekt faltet, weil sie die Küchentücher selbst wäscht. Prioritäten, meine Damen und Herren.

Schon am zweiten Tag griff ich beherzt in den Tickettopf. Ich wollte helfen, mich einbringen. Doch das wurde rasch zur „Komm, mach doch gleich alles“-Situation. SPOC? Klar. Dokumentation? Klar. Textentwicklung für den Windows-11-Rollout? Warum nicht. Prozessdokumentation für ein KPMG-Audit? Aber bitte mit Sahne.

Verwirrung ist Teil des Programms

Ich wurde eingestellt als Senior Administrator für Infrastruktur. Wirklich! Es stand da schwarz auf weiß. Doch schon vor dem ersten Arbeitstag wurde ich dezent umetikettiert auf „Der mit den Governance-Sachen“. Das war auch okay für mich – ich bin anpassungsfähig. Nur: gesagt wurde mir das nicht offiziell. Man zeigte es mir in einer PowerPoint, zwei Wochen vor Start. Und ich, der gutmütige Wikibär, sagte brav: „Klar, versuch ich. Brauche aber Schulung.“

Haha. Schulung.

Stattdessen: Deadlines, Deadlines, Deadlines. Carve-out, Audit, Rollout, alles gleichzeitig. Und ich durfte mit dem Werkzeugkasten meines früheren Jobs improvisieren. Nur leider hatte ich dort Schraubenzieher gelernt – gebraucht wurden jetzt Laserschneider.

Commandante C in Action

C war… sagen wir… direkt. Persönlich. Unvergesslich. Ihr Lieblingssatz? „Man braucht keinen halben Manntag für so einen Text!“ Oder: „Ich weiß gar nicht, was du eigentlich den ganzen Tag machst.“ Und mein Highlight: „Dich packen doch eh alle in Watte.“ Danke auch, kann ich mir gleich mit Watte die Ohren stopfen.

Ach ja, SPOC war ich auch. In einer Struktur, die nicht SPOC-tauglich war. Die Tickets liefen ein wie Wassereimer im Monsun. Die Bearbeitung? Oft allein, weil alle anderen gerade mit Dingen beschäftigt waren, die irgendwie auch wichtig waren. SPOC heißt eigentlich Single Point of Contact. Ich war eher Single Point of Chaos.

Der CEO, die Tastatur und das Desaster

Ein Höhepunkt im negativen Sinne war das Onboarding unseres CEOs. Der bekam alte Hardware, eine defekte Kamera, und als Krönung eine nicht passende Tastatur. Die Folge? Ein „freundlicher“ Rundumschlag per Mail von der Chefetage. Ich wurde prompt eingeladen – zur Eskalationsrunde mit Commandante C und zwei weiteren Personen. Ich sei zwar nicht für die Hardware verantwortlich, hieß es, aber… naja, irgendwie halt doch.

Offenheit wird nicht belohnt

Ich sprach mit C über meine gesundheitlichen Themen – Depressionen, Konzentrationsprobleme, Überforderung. Ihre Antwort: Ob ich das mit Absicht mache, um gekündigt zu werden. Ob ich nicht lieber einen Coaching-Vorschlag annehmen möchte. Und ob ich überhaupt tragbar sei im Bereich Security, wenn ich Dokumente schreibe, die eventuell an frühere Strukturen angelehnt sind.

Ich war baff. So baff, dass ich beim nächsten Ticketmeeting emotional wurde. Wir schrien uns nicht an, aber… wir wurden laut. Man sagte mir, ich müsse Strukturen schaffen. Klar doch. Mit drei Projekten, einer Ticketflut, unklarer Rolle und psychischer Belastung. Kein Problem.

The final countdown

Irgendwann kam sie dann. Die Kündigung. „Während der Probezeit“. Unterschrieben vom CEO. Ohne ein abschließendes Gespräch. Ohne Nachfrage. Einfach zack, raus.

Und ja, das tut weh. Ich habe meinen sicheren Job aufgegeben. Ich habe mich bemüht. Ich war offen. Ich war loyal. Ich war müde.

Aber ich bin nicht am Ende.


Fazit?

Wenn du in einer Firma landest, in der die Rollenbeschreibung fließender ist als das WLAN in einem Regionalzug, dann ist es Zeit, neu zu denken. Ich habe gelernt, dass Offenheit nicht immer belohnt wird. Dass Loyalität in manchen Firmen mit Küchenhandtüchern beginnt und mit Eskalationen endet. Und dass ich, trotz aller Fehler, aufrecht aus dieser Farce herausgehen darf.

Vielleicht war’s nicht die Reise, die ich mir gewünscht habe. Aber es war eine Geschichte, die ich erzählen kann.

Und das ist immerhin mehr, als mancher aus seiner Probezeit mitnimmt.